Diesmal habe ich Zeit, um Kashgar bei Tag zu besichtigen.

Wie jede chinesische Stadt, hat auch Kashgar seine Überwachungskameras an jeder Ecke. Apropos Überwachung. Bei meinem letzten Post habe ich ganz vergessen zu erwähnen, dass die erneute Einreise nach China ganz unproblematisch war. Man hat sich nur ungefähr eine Stunde Zeit genommen, um alle meine Bilder durchzusehen. Anders, als bei der ersten Einreise, war man hier auch freundlich bei der Kontrolle. Vielleicht lag es daran, dass man mich zuvor schon einen ganzen Monat lang hat beobachten können. Möglicherweise habe ich mir dabei ein gutes Rating als harmloser Tourist erarbeitet.

Kashgar hat natürlich auch seinen Mao an prominenter Stelle im innersten Zentrum.

Die Altstadt wirkt touristisch aufbereitet. Daher darf man annehmen, dass sie nicht durch Hochhäuser ersetzt werden wird. Auf einer Info-Tafel für Touristen wird sogar als besonderes Merkmal hervorgehoben, dass dies die einzige intakte Altstadt in ganz China ist. Na prima.



Ganz in der Nähe zur begehbaren Altstadt gibt es ein umzäuntes Viertel mit alten Lehmhäusern. Gemäß der Bilder auf dem Bauzaun soll alles wieder hergerichtet werden. Man müsste aber bald damit anfangen, denn die inzwischen unbewohnten Lehmhäuser zerbröseln regelrecht.
Bemerkenswert finde ich, dass man in China ganze Stadtteile entvölkern und umzäunen kann, um dann im großen Stil etwas damit zu machen. Sind die Leute alle freiwillig gegangen? Wurden sie enteignet? Oder hatten sie schon lange kein Eigentum mehr an ihren eigenen Häusern, so dass das gar kein Problem war? Wohnen sie jetzt draußen, in einer dieser Trabantenstädte?
Nach allem, was ich bisher in China gesehen habe, muss man annehmen, dass hier aus ganz alt ganz neu gemacht werden wird. Die noch bestehende Bausubstanz wird am Ende komplett durch moderne Materialien ersetzt worden sein. Genau das stellen auch die Bilder auf dem Bauzaun in Aussicht. Es ist dann sehr praktisch für Bewohner und Touristen. Aber die Patina wird fehlen.

Kashgar hat auch einen riesigen Basar für Waren aller Art.

Weil dieser zweite Aufenthalt in Kashgar an einem Wochenende stattfindet, ist endlich mal Gelegenheit, den berühmten Viehmarkt weit draußen vor der Stadt zu besuchen. Dieser wird hier jeden Sonntag veranstaltet.

Am Besten haben mir die Kamele gefallen.


Das war mein letzter Besuchstag in China. Ab jetzt geht es ohne unnötige Umwege Richtung Heimat.
Zum Schluss muss ich aber noch eine Erfahrung mit der Polizei schildern, die ich hier in Kashgar bei der Vorbereitung meiner Rückreise gemacht habe. Im Polizeiumfeld sind Fotos streng verboten. Ich halte mich daran, denn sonst besteht das Risiko, dass man beim nächsten Durchblättern der Bilder darauf stößt und womöglich alles löscht. Deshalb gibt es hierzu kein Foto. Aber die Geschichte ist auch ohne Bild interessant.
Mit einem Bus der Linie 4 wollte ich zu einem sogenannten "Internationalen Busbahnhof" rausfahren. Laut Wikivoyage kann man dort Tickets für eine Fahrt nach Kirgisistan kaufen. Der erste Bus mit der Nummer 4 hat mich gar nicht reingelassen. Ich wurde brüsk abgewiesen. Man deutete auf ein Taxi. Das solle ich nehmen. Weitere Erklärungen gab es nicht. Das war äußerst unfreundlich und ärgerlich.
Der nächste Bus der Linie 4 hat mich dann reingelassen. Ungefähr einen Kilometer vor dem Ziel, weit draußen vor der Stadt, auf einer vierspurigen Autobahn, kommen wir an eine große, festinstallierte Polizeikontrolle. Die kenne ich schon von meiner Fahrt raus auf den KKH. Ich werde von der Polizei rausgezogen, der Bus wird mit einer unwirschen Handbewegung weitergeschickt. Auch das kenne ich ja schon.
Man kommandiert mich in die Polizeistation. Ein Stunde lang beugen sich die Beamten über mein Pass. Es werden Telefonate geführt. Man verhört mich mittels Übersetzungs-App. Wo ich hin wolle. Es werden immer nur Fragen gestellt, es gibt keine Erklärung, worin denn das Problem besteht. Schließlich reicht man mir ein Handy ans Ohr. Am anderen Ende der Leitung erklärt jemand auf Englisch, dass es den Internationalen Busbahnhof schon seit Jahren nicht mehr gibt. Ich müsse zurück in die Stadt. Ende.
Grußlos werde ich rückwärts aus der Polizeistation geschickt. Der Checkpoint auf der Gegenseite der Autobahn liegt 2 Kilometer zurück. Also steige ich über die Leitplanken des Mittelstreifens, und wandere auf der Gegenseite über den staubigen Staßenrand zurück. Lastwagen, Autos und Motorräder rasen an mir vorbei.
Unterwegs habe ich Zeit mir Sorgen zu machen, wie man das jetzt der chinesischen Datenkrake erklärt. Immerhin mache ich gerade einen U-Turn mitten in einem Polizeigelände auf der Autobahn. Wie macht man plausibel, dass man gerade aus Kashgar kommt und jetzt wieder nach Kashgar geht? Das muss doch auf das System wie ein Kurzschluss wirken.
Aber die Sorge war unberechtigt. Gerade als ich in der rückwärtigen Polizeistation eintreffe, ist dort auch wieder ein Bus der Linie 4 angekommen, diesmal auf dem Rückweg in die Stadt. Ich mische mich unter die Fahrgäste, die natürlich auch alle durch die Kontrolle trotteln müssen. Ich komme problemlos durch den automatischen Gesichts-Scan und kann weiter hinten unbehelligt in den Bus der Linie 4 einsteigen, diesmal wieder zurück in Richtung Kashgar.
Im nachhinein stelle ich mir vor, ich hätte versucht, mit einem Taxi den Internationalen Busbahnhof zu erreichen. Es ist unglaublich schwer, einem Taxifahrer klar zu machen, wo man hinwill. Aber welche Verwirrung wäre wohl entstanden, wenn ich versuchte hätte, mit einem Taxi zu einem Ort zu gelangen, den es gar nicht mehr gibt?
In China hab ich viele sympathische Menschen kennengelernt. Aber den allgegenwärtigen Überwachungsstaat habe ich satt. Und die allgemeine Unfähigkeit, halbwegs simpel und menschlich mit einem Fremden, wie ich es hier bin, zu kommunizieren, auch. Morgen fahre ich nach Kirgisistan.